Familie Blohm und ihre Leidenschaft für alte Kühe

Im wahrsten Sinne des Wortes stürmisch begrüßt wurden die Gratulanten am 23. September 2021 im Kreis Pinneberg in Klein Nordende, wo vier Generationen der Familie Blohm auf dem Milchviehbetrieb leben, der in diesem Jahr den Ehrenpreis der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein (LKSH) für innovative Ansätze in der Tierhaltung erhalten sollte. Dieser Preis geht in jedem Jahr an zwei ausgewählte tierhaltende Betriebe im Land, die sich in den letzten Jahren durch besondere Leistungen und den Drang zur stetigen Verbesserung hervorgetan haben.

Betriebsinhaber Dirk Blohm begrüßte die zahlreichen Gäste und verdeutlichte, dass der Ruhm für die gewonnene Ehrung nicht ihm alleine gebührt: Neben seiner Frau Renate und seinen Kindern Jana und Marco, dessen Lebensgefährtin Ines und Sohn Mats, leben auf dem Betrieb auch Dirk Blohms Eltern Getrud und Jürgen und Dirks Bruder Ulf. Gerade Ulf widmet sich neben seinem Bürojob in der IT mit großer Passion den rund 150 Milchkühen auf dem Hof und ist nach Feierabend stets im Stall zur Stelle. Insgesamt stehen auf dem Betrieb rund 400 Rinder, davon 75 Rotbunt Doppelnutzungs-Kühe, die seit jeher auf dem Betrieb gezüchtet werden, und mittlerweile genauso viele schwarzbunte Holsteins, die nach und nach durch die Nachzucht aus acht für den Betrieb gekauften „Stammkühen“ in den Bestand kamen. Bei der Bewirtschaftung der 170 ha Nutzfläche, davon 72 ha Dauergrünland, 56 ha Getreide und 42 ha Mais, helfen der Familie zusätzlich ein Angestellter und ein Auszubildender. Die Außenwirtschaft, sowie auch Klauenpflege und Besamung der Kühe bewerkstelligt die Familie Blohm komplett in Eigenleistung.

Junges Erstkalbealter und hohe Lebensleistung

Nach der kurzen Vorstellung seines Betriebes übergab Dirk Blohm das Wort an seinen Bruder Ulf, der sich sehr darüber freute, den Gästen nun eine ausführliche Stallführung geben zu können und dabei Einblicke in seine zweifelsohne erfolgreiche Philosophie zu Zucht und Haltung zu gewähren. „Unser Ziel ist eine wirtschaftliche Milchviehhaltung bei höchster Tiergesundheit. Ich will gerne alte Kühe melken“ leitete Ulf Blohm den Rundgang ein. Zugleich machte er deutlich, dass für das Erreichen der hohen durchschnittlichen Lebensleistungen bei Abgang, die auf dem Betrieb Blohm für Schwarzbunt bei fast 70.000 kg und für Rotbunt DN bei 36.000 kg Milch liegen, ein optimaler Start ins Leben unerlässlich ist. Eine optimierte Kälberaufzucht hat daher im Betrieb hohe Priorität, was sich auch in einem jungen Erstkalbealter von rund 25 Monaten, Schwarzbunte etwas früher, Rotbunte DN etwas später, wiederspiegelt.

Der Rundgang über den Betrieb startet aber nicht im Kälberstall, sondern bei den melkenden Kühen. Das Stallgebäude ist über die Jahre immer wieder zur Verbesserung der Haltungsbedingungen angepasst worden. So zum Beispiel durch vergrößerte Tränkebecken oder eine integrierte Klauenpflege-Straße, die es Dirk Blohm allein möglich macht, die Klauenpflege routinemäßig oder im akuten Bedarfsfall durchzuführen. Dadurch, dass die Kuh bei der Klauenpflege die Herde weiter im Blick hat, reagieren die Tiere stressfrei und ruhig und auf die Behandlung. Diesen Komfort danken die Kühe mit sehr guten Leistungen und phantastischen Inhaltsstoffen: Die Rotbunt DN-Kühe melken bei Familie Blohm 2021 im Schnitt 8.849 kg Milch bei 4,41% Fett und sehr hohen 3,78% Eiweiß, die Holsteins als Milchspezialisten schaffen es sogar auf 11.694 kg bei 4,21% Fett und 3,49% Eiweiß. Auch gute Fruchtbarkeit ist ein Beweis für die Tatsache, dass sich die Kühe in Klein Nordende wohlfühlen. Die Besamungsquote beider Rassen lag 2021 zwischen 92-95%.

Schlüsselstelle Aufzucht

Da das Management der Kälber im Betrieb das Fundament des Erfolgs der Familie Blohm darstellt, ging der Gang über den Betrieb weiter in den Kälberstall: „Im ersten Jahr des Tieres entscheidet sich die Milchleistung fürs Leben“ kommentiert Ulf Blohm, während er auf dem Weg zum Kälberstall mit einem Wink auf das Umbauprojekt des letzten Jahres hinweist: den Trockensteherstall. Hier wurde, um den Tieren in den letzten Wochen vor der Kalbung noch mehr Komfort zukommen zu lassen, der Futtertisch nach außen verlegt. So haben die Kühe gerade im Winter, wenn sie wegen zu feuchter Witterung nicht auf die Weide können, noch mehr Platz in diesem Bereich und reichlich frische Luft. Erst kurz vor der Kalbung gehen die Kühe in separate Boxen im eigentlichen Kuhstall, da dort eine noch engmaschigere Tierbeobachtung gewährleistet werden kann.

„Investitionen in die Aufzucht zahlen sich später immer in Form von besseren Leistungen aus. Letztes Jahr hatte ich das besondere Glück, nicht eine Jungkuh verloren zu haben, weil die Färsen einfach so gut in Schuss waren. Im Schnitt konnten wir die Einstiegsleistungen von 8.300 kg früher auf heute 9.400 kg steigern“ berichtet Ulf Blohm von den Erfolgen, die er mit seiner Philosophie erreichen konnte. Auch bei den Kälbern ist das Motto zur metabolischen Programmierung: Alles was geht. So erhält man gesunde, krankheitsresistente Kälber mit guten Tageszunahmen. Durch die hohe Anzahl alter Kühe im Bestand ist die Remontierungsrate deutlich, auf ca. 15-20%, gesunken. Das ist nicht nur ökonomisch erfreulich, sondern eröffnet auch die Möglichkeit einem Betrieb im Kreis Nordfriesland, der selbst keine Aufzucht betreibt, jedes Jahr rund 20 abgekalbte Schwarzbuntfärsen zu verkaufen.

Zuchtprogramme fördern und vorantreiben

Ulf Blohm engagiert sich nicht nur in den eigenen vier Stallwänden, sondern hat auch ein Augenmerk auf das Vorantreiben der züchterischen Arbeit in Schleswig-Holstein, besonders für die Rasse Rotbunt DN. Er ist Mitglied im Zuchtausschuss Rotbunt DN und für die Besucher wurde Pinnau, die Bullenmutter des DN-Bullen Emden DN, der grade seinen Testeinsatz bei der RSH beendet hat, vorgeführt. Noch ist der Testeinsatz der DN-Bullen entscheidend für die Selektion für den Wiedereinsatz, weshalb auch alle von der RSH angebotenen Testbullen der Rasse auf der Herde der Blohms eingesetzt werden. In Zukunft allerdings soll auch hier die genomische Selektion eingeführt werden, was sich aufgrund der kleinen Population als herausforderndes Projekt erweist. Da ist es natürlich selbstverständlich, dass Dirk und Ulf Blohm die gesamte DN-Herde genomisch typisieren ließen, um Teil der wichtigen Datengrundlage für die genomische Selektion zu werden. Auch der schwarzbunte Teil der Herde ist durch „GenomScan“ typisiert und wird gezielt angepaart. Rund 75% der Herde werden mit Holsteinsperma besamt, wobei ein Großteil der gewählten Bullen töchtergeprüft ist. Das schlechteste Viertel der Herde erhält Fleischrindersperma von Weißblauen Belgiern oder Angus. Tiere aus diesen Kreuzungsbesamungen gehen in die Rindermast, denn der Betrieb Blohm mästet im Jahr auch ca. 70 Mastbullen.

Volquardsen: Kleine Maßnahmen - großer Erfolg

Die Nutztierhalter der heutigen Zeit sehen sich vor der schwierigen Aufgabe, den Spagat zwischen den zunehmenden gesetzlichen und gesellschaftlichen Forderungen für das Tierwohl und gesicherter arbeitswirtschaftlicher und ökonomischer Attraktivität für den Betrieb zu meistern. „Ich selbst habe auf politischer Ebene in der Zukunftskommission Landwirtschaft mitgewirkt und fand den - wenn auch nicht immer einfachen - Dialogprozess wichtig und spannend. Die Basis unserer Arbeit ist der Wille zu einem gemeinsamen Lösungsansatz“ eröffnete Ute Volquardsen, Präsidentin der LKSH, ihre Rede zur Preisübergabe. Der Umbau der Landwirtschaft ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, bei dem es auch auf die Ehrlichkeit aller Prozessbeteiligten ankommt: „Jedem Verbraucher muss klar sein, dass es gesteigertes Tierwohl, wie exemplarisch ein Frischfleischsortiment nur aus den Haltungsstufen 3 und 4, nicht zum Nulltarif geben kann“ mahnte Volquardsen im Rückblick auf die gescheiterte Preisinitiative eines Discounters zugunsten der deutschen Schweinehalter. Die Landwirtschaft dürfe aber nicht darauf warten, dass die Akteure um sie herum den Takt vorgeben, sondern sie selbst müssten mit zukunftsweisenden Denkansätzen Vorbilder sein.

Diese Vorbildfunktion wird auf dem Betrieb der Familie Blohm gelebt. Als Anerkennung für diesen Innovationswillen überreichte Ute Volquardsen den Ehrenpreis der LKSH für innovative Ansätze in der Tierhaltung in Form eines massiven Bronzetellers an die gesamte Familie Blohm. „Tiergesundheit und Langlebigkeit sind die obersten Ziele, und dass das auch in älteren Gebäuden möglich ist, beweist der Betrieb eindrucksvoll. Die gesamte Familie Blohm ist sehr bodenständig und läuft nicht jedem technischen Trend hinterher, sondern hinterfragt die Dinge stets kritisch. Es gibt hier nicht „die eine Innovation“, sondern das Zusammenspiel von vielen kleinen Stellschrauben, die zusammen eine große Wirkung haben“ schloss Ute Volquardsen ihre Rede zur Preisverleihung.

Waschechter Familienbetrieb mit Schauambitionen

Auch Volker Kaack, Vorstandsvorsitzender der RSH eG, ließ es sich nicht nehmen, den Preisträgern ein paar persönliche Worte zu widmen: „Alle Generationen sind in das Hofleben fest integriert. Großvater Jürgen Blohm übernahm 1964 mit zwölf Kühen im Bestand den Betrieb und ist noch heute mit über 80 Jahren beim Melken fester Bestandteil des Teams. Auch seine Enkel Marco und Jana stehen in den Startlöchern und sind hochengagiert, während Urenkel Mats sicherlich noch ein wenig Zeit hat, sich auf die kommenden Aufgaben vorzubereiten“ würdigte Volker Kaack das seltene Zusammenleben von vier Generationen auf einem Betrieb.

Familie Blohm hatte züchterisch immer die langlebige und leistungsbereite Kuh im Fokus. Das zeigt sich auch an den momentan fünf Dauerleistungskühen auf dem Betrieb, die die magischen 100.000 kg Milch überschritten haben. Dabei sieht man nicht häufig, das Rassen mit unterschiedlichen Merkmalsausprägungen, wie Schwarzbunte Holsteins und Rotbunte DN zusammen unter gleichen Bedingungen gehalten werden. Um die züchterischen Ziele für beide Rassen zu erreichen, wird auch die genomische Typisierung der Herde intensiv genutzt. Bei den Schwarzbunten ist dies schon die gängige Praxis, und damit es auch für Rotbunt DN möglich wird eine Lernstichprobe für die genomische Selektion zu erstellen, hat Familie Blohm ihre Expertise und ihre Herde zur Verfügung gestellt.

Auch auf der Schau „Neumünster am Abend“ war Familie Blohm seit 2010 nicht nur selbst Beschicker, sondern auch Motivator für weitere Rotbunt DN-Betriebe. Mit ihrer Unterstützung trauten sich neue, unerfahrene Teilnehmer die ersten Schritte auf der Schaubühne zu. Das konnte das kleine Schaukontingent der Rotbunten DN sehr bereichern. Die Erfolgsgeschichte der Rotbunt DN-Kühe aus dem Stall Blohm bleibt dabei aber einmalig: Von 2010 bis 2020 konnten sie sich bei jeder Schau in den Holstenhallen in die Siegerlisten eintragen, in den Jahren 2014 und 2018 stellte der Betrieb aus Klein Nordende sogar die Sieger- und Reservesiegerkuh Rotbunt DN. 2016 stellten sie jeweils eine Siegerkuh bei den Schwarzbunten und bei Rotbunt DN. 2018 kam auf das Titelkonto noch eine Siegerin der Nachzuchten hinzu. Eine in Schleswig-Holstein wohl einzigartige Erfolgsgeschichte.

Das große züchterische Interesse kann Ulf Blohm nicht nur im Zuchtausschuss der Rasse bei der RSH einbringen, auch die Genetik von seinem Hof findet den Weg nach Neumünster, besser gesagt nach Schönböken: Acht Rotbunt DN-Bullen sind bis heute in die Besamung bei der RSH verkauft worden. Davon befinden sich aktuell Ronco DN und Berio DN im Wiedereinsatz, drei Bullen sind im Wartebullenstall, Mats DN absolviert gerade seinen Testeinsatz, und ein weiterer Bulle befindet sich in der Aufzucht.

 

Auch die RSH gratuliert der gesamten Familie Blohm, allen vier mitwirkenden Generationen, zu deren über viele Jahre hervorragende Arbeit im Zeichen von innovativer Rinderzucht und -haltung, die durch diesen Ehrenpreis nochmals besonders gewürdigt werden sollte. Wir wünschen dem gesamten Team weiterhin so gutes Gelingen und Freude an den Tieren auf dem Betrieb, getragen durch ihre gemeinsame Leidenschaft für innovative Tierhaltung mit höchsten Gesundheits- und Tierwohlstandards.

Text: Melanie Gockel, RSH eG

Bilder: Annika Behrmann, RSH eG